Johann Heinrich Voß
(1751-1826)
Leben und Werk (2)
s wurde eine mehr als zweieinhalbjährige Leidens- und
Prüfungszeit, in der Voß bei geringem Lohn
beständigen Demütigungen ausgesetzt war, und in der in
ihm, den schon als Schüler nicht nur ein starker
Gerechtigkeitssinn, sondern auch ein ausgeprägtes
Ehrgefühl ausgezeichnet hatte, der Keim zu seiner
späteren schneidenden Adelskritik, zu seinem
lebenslangen Hass auf Standesprivilegien und Adelswillkür
gelegt wurde. Ein Hofmeister war eben nicht viel mehr
als ein einfacher Domestik, und vor allem die »gnädige
Furie«, wie Voß die Frau von Oertzen einmal
bezeichnete, ließ ihn dies immer wieder fühlen.
Die Rettung kam dann Anfang 1772, als Heinrich Christian
Boie, der Herausgeber des Göttinger »Musenalmanachs«,
Voß in die berühmte Universitätsstadt Göttingen holte
und ihm durch vielfältige Unterstützung die Aufnahme
eines Studiums ermöglichte. Hier erfuhr Voß zum ersten
Mal in seinem Leben Anerkennung als Dichter: Bereits
Boies Einladung beruhte auf den Gedichten, die Voß ihm
von Ankershagen aus gesandt hatte, und der prägende
Einfluß der Göttinger Zeit bestand weniger in dem
aufgenommenen Studium als vielmehr in der Verbindung
zu jenen jungen Dichtern, deren Bund als der »Göttinger
Hain« in die Literaturgeschichte eingehen sollte, und die
Voß zu Ihrem Ältesten machten.
Voß stand hier
im Mittelpunkt
eines jungen,
enthusiastischen
Literatenzirkels,
denen vor allem
Ludwig Christoph
Heinrich Hölty,
Johann Friedrich
Hahn, Johann
Martin Miller,
die Brüder Friedrich Leopold und Christian zu Stolberg
und natürlich der Herausgeber des »Musenalmanachs«
Boie angehörten, und die – trotz ihres epigonal
anmutenden Klopstock-Kultes – in dieser Zeit
gewissermaßen die Avantgarde der deutschen Lyrik
darstellten.
Voß dichtete, wechselte vom theologischen Fach zu den
philologischen Studien, und – auch dies von grundlegender
Bedeutung für seinen weiteren Lebensweg – lernte Boies
Schwester Ernestine zuerst brieflich, dann 1774 bei einer
Reise nach Flensburg auch persönlich kennen und lieben.
Im Frühjahr 1775 übersiedelte Voß von Göttingen nach
Wandsbeck in die unmittelbare Nähe von Matthias
Claudius.
Göttingen um 1830
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