Der Rosenkranz
An des Beetes Umbüschung Brach sie die Rosen zum Kranz. Feurig prangte die Mischung Rings im thauigen Glanz. Ros’ auf Ros’ in das Körbchen sank, Purpurroth, und wie Silber blank. Zwar den Grazien heilig, Sang sie, blühet ihr dort; Warum aber so eilig Abgeblüht und verdorrt? Die sich eben geöfnet blähn, Werden bald in dem Winde wehn! Rund zusammen gefaltet, Glühst du schwellend am Strauch; Komm, o Rose: dich spaltet Mein anathmender Hauch. Ach! wir schwellen, wie du, und glühn; Nur ein Lüftchen, und wir verblühn.
Du rothstreifiges Knöpfchen, Zitternd scheust du dein Grab; Und ein perlendes Tröpfchen Hängt als Thräne herab. Bleib! du sollst in dem Sonnenschein Dich des flüchtigen Lebens freun. Mit tiefsinniger Säumnis Flocht das Mädchen den Kranz In der Laube Geheimnis, Lieb’ und Zärtlichkeit ganz. Als aufs Haupt sie das Kränzchen nahm; Wohl mir Seligem, daß ich kam!
Johann Heinrich Voß. In: Musenalmanach für 1800. Von Johann Heinrich Voß. Neustrelitz: Ferdinand Albanus [1799], S. 33f.